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Szenische Lesungen machen Geschichte lebendig

Historische Akten können eine trockene Angelegenheit sein. Doch dahinter verbergen sich oft bewegende menschliche Schicksale. Die SchauspielerInnen der bremer shakespeare company hauchen historischen Originaldokumente in szenischen Lesungen wieder Leben ein. Im Jahr 2007 entstand auf Initiative der Bremer Historikerin Dr. Eva Schöck-Quinteros die Kooperation »Aus den Akten auf die Bühne« (auch: »Sprechende Akten«) mit dem Ensemble der bsc. Diese Kooperation verbindet geschichtswissenschaftliche und dramaturgische Arbeit und macht quellenbasierte Geschichtsforschung einem breiten Publikum zugänglich.

»Aus den Akten auf die Bühne« war Vorreiter

In jüngerer Zeit wird das Theaterspielen als didaktisches Mittel der Aneignung und Auseinandersetzung mit Geschichte in Museen, Gedenkstätten und Archiven eingesetzt. Die szenischen Lesungen des Bremer Projektes Aus den Akten auf die Bühne nimmt eine Vorreiterrolle im Umgang und in der Vermittlung von Geschichte mit theatralen Mitteln ein. Jede szenische Lesung ist das Ergebnis einer konstruktiven Kooperation von Studierenden und Schauspieler:innen der bremer shakespeare company. Die Lesungen verlassen sich dabei ganz auf die Aussagekraft der Dokumente und bringen die historischen Texte ohne ergänzende Erläuterungen, Kommentare und Interpretationen zum Sprechen. Wenn möglich finden die Lesungen an den historischen Originalschauplätzen statt, z.B. im Schwurgerichtssaal des Bremer Landgerichts.

»Sprechende Akten«

Unter der Leitung von Dr. Eva Schöck-Quinteros entwickeln Studierende des Instituts für Geschichtswissenschaft der Universität Bremen und Ensemblemitglieder der bremer shakespeare company die szenische Lesungen aus historischen Originaldokumenten. Zusammen mit Studierenden forscht die Historikerin im Staatsarchiv Bremen und in zahlreichen anderen Archiven zu Themen des 20. Jahrhunderts meist mit einem Bezug zu Bremen. Eine umfangreiche transkribierte Sammlung aus z.B. Behördenschriftverkehr, Prozessakten, Tagebüchern und Briefen sowie der Berichterstattung der zeitgenössischen Presse wird von Peter Lüchinger von der bremer shakespeare company erstellt, der seit 2007 die Textbearbeitung und Regie der szenischen Lesungen gestaltet. In den Aufführungen wird die historische Dimension auch aktueller politischer Fragen wie z.B. Ausländerfeindlichkeit, Migration und Flucht an unterschiedliche Zielgruppen vermittelt. Die Lesungen finden regelmäßig im Theater am Leibnizplatz statt und sind fester Bestandteil in den Spielzeitplanungen der bremer shakespeare company, dazu kommen Lesungen für Schülerinnen und Schüler und Gastspiele in Gedenkstätten, der Bremischen Vertretung bei der EU in Brüssel oder auf Archivtagen.

Initiatorin vom Bundespräsidenten geehrt

Die Bremer Historikerin Dr. Eva Schöck-Quinteros ist die Initiatorin dieses bundesweit einmaligen Projektes. Die in Lilienthal lebende deutsche Historikerin lehrt seit 1989 an der Bremer Universität Geschichtswissenschaften. Am 22. Mai 2019 verlieh Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Rahmen einer Feierstunde unter dem Motto »Demokratie ganz nah – 16 Ideen für ein gelebtes Grundgesetz: Matinee und Ordensverleihung« zum 70. Jahrestag des Grundgesetzes im Schloss Bellevue Dr. Eva Schöck-Quinteros das Bundesverdienstkreuz am Bande. Geehrt wurden damit aus den 16 Bundesländern Bürgerinnen und Bürger für ihr herausragendes Engagement in der politischen Bildung und bei der Vermittlung der Werte des Grundgesetzes.

Szenische Lesungen mit der bremer shakespeare company/Kooperation mit der Universität Bremen

  • Grund der Ausweisung: »Lästiger Ausländer« – Ausweisungsverfahren in den 20er Jahren in Bremen
  • Aus Gründen der inneren Sicherheit des Staates.. – Der Fall Geusendamm
  • »Wussten Sie, dass Ihre Tochter Herrenverkehr hatte?« – Der Fall Kolomak in Bremen
  • »Was verstehen wir Frauen auch von Politik?« – Entnazifizierung »ganz normaler« Frauen in Bremen (1947-1951)
  • »Im Lager hat man auch mich zum Verbrecher gemacht« – Margarete Ries: Vom »asozialen« Häftling in Ravensbrück zum Kapo in Auschwitz
  • Eine Stadt im Krieg – Bremen 1914-1918 – Wie schreibt sich der Krieg in das alltägliche Leben einer Stadt ein? Verschiedene Originaldokumente
  • Prunk und Pleite eine Unternehmerdynastie – Der Konkurs der Nordwolle und die Bankenkrise 1931
  • Geflüchtet, unerwünscht, abgeschoben – »Lästige Ausländer« in der Weimarer Republik
  • Bremen: Stadt der Kolonien? – 100 Jahre koloniale Vergangenheit Bremens
  • Staatsschutz, Treuepflicht, Berufsverbot – (K)ein abgeschlossenes Kapitel der westdeutschen Geschichte.
  • Vom Eis gebissen, im Eis vergraben - Geschichten aus der deutschen Polarforschung.
  • »Das ganze deutsche Reich steht heute gegen uns…« – Die Revolution 1918/19 in Bremen
  • »Keine Zuflucht. Nirgends: An Land und auf dem Meer« – Die Konferenz von Evian und die Irrfahrt der MS St. Louis
  • »Erziehen, erzwingen, erniedrigen« - Das “Arbeitserziehungslager” in Bremen Farge (1940-1945)
  • »Und wohin jetzt?« - Die „Zigeunerpolitik“ im Deutschen Kaiserreich und im United Kingdom zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1900-1914)
  • »Die Freie Hansestadt Bremen ist bereit… « - 50 Jahre Universität Bremen, 1971-2021
  • Chile: Auf dem Weg zu einer neuen Demokratie? – Chiles Weg zu einer neuen Verfassung.
  • „Bremen voran!” - Von der „Bremen Enclave“ zum selbständigen Land (1946-47).
  • “Wenn ich das finstere Bilde des Faschismus auftauchen sehe…” - 50 Jahre nach dem Militärputsch in Chile am 11. September 1973
  • Der Kampf um Entschädigung - Jüdische Menschen aus Bremen in Südamerika

Ergänzende Lesungen und Auskoppelungen

  • „Ich habe daher das Verfahren eingestellt.“ - Die Ermittlungen gegen die Lagerkommandanten Walhorn 1961/62 (Auskopplung aus „Erziehen, erzwingen, erniedrigen“)
  • „Ich will dir so ein bisschen die Wahrheit schreiben.“ - Aus den Briefen des Bremer Kaufmanns Hermann Gieschen
  • Nationalität: Schwarzer Afrikaner - Vom Umgang deutscher Behörden mit Schwarzen Menschen in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus am Beispiel des Johannes Kohl (1892-1973)
  • Vor 80 Jahren: „Schießen müsst ihr!“ – Das Massaker von Babyn Jar. Kooperation mit der Universität Bremen, der Landeszentrale für politische Bildung, dem Verein „Erinnern für die Zukunft e.V.“ und dem Senator für Inneres, Bremen.

Mehr Informationen unter: www.sprechende-akten.de
Lesen Sie auch im up2date (Uni Bremen, Februar 2020) über Aus den Akten auf die Bühne