Zum Stück
2:10 mit Pause
Übersetzung: Rainer Iwersen.
Regie/Bühne: Ricarda Beilharz.
Dramaturgie: Volker Bürger.
Kostüme: Hanna Zimmermann.
Mit: Svea Auerbach, Rune Jürgensen, Michael Meyer, Theresa Rose, Markus Seuß.
Zwei Zwillingspaare stehen im Zentrum dieser Verwechslungskomödie: Antipholus von Ephesus und Antipholus von Syrakus wurden schon in der Kindheit getrennt. Beide haben jeweils einen Diener namens Dromio, die ihrerseits auch Zwillinge sind.
Als sich Antipholus von Syrakus auf die Suche nach seinem Zwillingsbruder in Ephesus begibt, kreuzen sich die Wege des einen Herrn mit des anderen Diener und umgekehrt.
Die Handlung der Komödie hält für die Dramenfiguren eine heillose Verwirrung und ein Wechselbad der Gefühle bereit, das für die Zuschauer von kaum zu überbietender Situationskomik ist.
Pressestimmen
Weser-Kurier, Samstag, 14. Juni 2014. Von Iris Hetscher
Albtraum mit Clowns
Die „Komödie der Irrungen“ ist angeblich das erste Bühnenwerk, das William Shakespeare geschrieben hat – und gilt als Fingerübung für seine späteren Meisterkomödien, vor allem für „Was ihr wollt“. Die Bremer Shakespeare-Company hat das selten gespielte Stück in einer sehr artifiziellen Inszenierung von Ricarda Beilharz auf seine Grundlagen reduziert, und zeigt, welch hintergründige Farce das Werk ist.
Der Clown ist eine ambivalente Kunstfigur. Komisch sieht er aus, er soll die Leute ja auch zum Lachen bringen – der alte Spaßvogel. Aber er kann auch Angst verbreiten, seine ungelenken Bewegungen können jederzeit in gewalttätige Angriffe umschlagen. Und ist sein Lächeln nicht auch gerne schadenfroh, wölfisch vielleicht sogar, inmitten eines Gesichts, das sich ruckzuck zur Fratze verziehen kann? Wer sich einmal auf Stephen Kings Roman „Es“ eingelassen hat, in dem der spitzzahnige Clown Pennywise das Böse an sich verkörpert, der wird roten Nasen und übergroßen Latschen nie wieder unvoreingenommen begegnen.
Auch Ricarda Beilharz setzt in ihrer Inszenierung der „Komödie der Irrungen“ in der Bremer Shakespeare Company auf die Risse und Widersprüche in den Identitäten der Figuren, die konsequenterweise auch zunächst als singende und swingende Clownstruppe auf die Bühne kommen. Das Stück ist angelegt als Verwechslungs-Farce, deren Inhalt schnell erzählt ist: Zwei Zwillingspaare treffen in der Stadt Ephesus aufeinander, was für Verwirrung bei den Paaren selbst und allen anderen sorgt. Die Situation spitzt sich zu, doch: Ende gut, alles gut, wenn auch haarscharf. Das klingt nach den banalen Späßen, mit denen Boulevardbühnen ihr Publikum köstlich amüsieren. Shakespeare hat das Durcheinander aber vor allem zum Anlass genommen, um eine Welt zu zeigen, in der auf einmal nichts mehr sicher ist: Das Missverständnis regiert und lässt Situationen völlig entgleisen.
Ricarda Beilharz, die auch für die Bühne verantwortlich zeichnet, hat daher auf jedwede Anmutung von Realität verzichtet. Mehrere weiß schimmernde Vorhänge teilen die Bühne – und manchmal auch den Zuschauerraum –, vor allem aber die Bewusstseinsebenen der Personen. Die sind durch fantastische Kostüme und grelles Make-Up (verantwortlich dafür: Rosi Algra und Galina Rickert) zu grotesken, in keiner Epoche zu verortenden Figuren verzerrt. Sie bewegen sich zunehmend eckig, (traum-)tänzerisch, zappelig – wie durch einen unsichtbaren Puppenspieler kontrolliert. Zirkus, Slapstick und das wüste Clownstheater eines Django Edwards sind die Quellen, aus denen die Regisseurin geschöpft hat. Deshalb setzt sie auch auf Tempo: Beilharz gönnt den Akteuren und dem Publikum kaum Ruhepausen in ihrer Inszenierung. Wo die eigene Welt aus dem Lot gerät, da herrscht Kopflosigkeit – auf dem Theater nennt man das dann Spektakel. Dieses kostet das Ensemble der Shakespeare Company zum Vergnügen des Publikums weidlich aus, und zwar ohne die schmale Grenze zum Klamauk zu überschreiten. Auch ein Grund dafür: Die überbordende Aktionsebene wird deutlich akzentuiert durch Szenen, in denen die Schauspieler die (von Frank Günther brillant neu übersetzten) Verse William Shakespeares mit Lust deklamieren. Wunderbare Ping-Pong-Dialogszenen zwischen Antipholus (Markus Seuß) und seinem vorwitzigen Diener Dromio (Michael Meyer) hat Beilharz sich da einfallen lassen.
Getrübt wird die insgesamt sehenswerte Inszenierung der „Komödie der Irrungen“ nur von zwei Dingen. Viel Musik gibt es, manchmal mit Gesang, manchmal ohne – und dann ist sie schlicht zu laut und überlagert den Sprechtext. Den wünschte man sich wiederum manchmal etwas deutlicher von dem sehr lustvoll spielenden Ensemble vorgetragen. Doch das sind Kleinigkeiten. Viel Applaus für alle Beteiligten bei der Premiere am Donnerstagabend.
Diabolo, Oldenburg, 19. Juni 2014. Von Martina Burandt
Zwischen Wahn und Wirklichkeit
Die neue Produktion der Bremer Shakespeare Company, unter der Regie von Ricarda Beilharz, schenkt uns einen ausgelassenen, clownesken Theaterspaß mit feinem Hintersinn.
Es beginnt ganz klassisch und auf diese Weise gleich perfekt: Eine Hand erscheint durch den Schlitz des silbrig-grau schillernden Bühnenvorhangs. Mit der zweiten Hand öffnet er sich langsam und ein ängstlich drein blickendes Clownsgesicht kommt zum Vorschein. Nach und nach erscheinen daneben, darüber, darunter weitere Gesichter, die allesamt mit furchtsamen Zähnegeklapper ins Publikum schauen. Gemeinsam besinnen sie sich ihrer Tugend und erzählen auf muntere Weise die verwirrende Geschichte von William Shakespeares früher und selten gespielter „Komödie der Irrungen“, um sich schon bald darin selbst zu verwickeln.
Eines Tages machen sich Antipholus aus Sykarus und sein Diener Dromio auf den Weg, um ihre vor Jahren auf einem Schiffsunglück verlorengegangenen Zwillingsbrüder zu finden. Die beiden landen in der Handelsstadt Ephesus. Hier treffen sie unwissentlich auf die Lebenszusammenhänge ihrer Brüder, wodurch sich sofort unglaubliche Verwicklungen entspinnen. Im Laufe der vergnüglichen Geschehnisse, die sich zur Tragödie zuzuspitzen scheinen, werden ihre Identitäten stark verunsichert. Schließlich breitet sich die Angst vor dem Verlust der eigenen Identität wie eine Krankheit auf alle beteiligten Figuren aus und treibt sie in Angst und Schrecken.
Regisseurin Ricarda Beilharz lässt die Komödie von Clowns spielen und gibt ihr damit eine weitere Spielebene und Grundhaltung: „Am Rand des Abgrunds zu sein, ist ein Zustand aus dem der Clown schöpft.“, liest man ein Zitat von Theatermacher Roberto Ciulli im Programmheft. Und so scheint diese hintergründig doch feinsinnige Geschichte um die „wahre“ Weltsicht, um Entfremdung, Ichverlust und der Frage nach Realität und Traum auf den ersten Blick noch mehr wie nur ein leichtes Spiel auf den Brettern der Welt. Doch in Ephesus-City passiert mehr als Spaß, denn hier geraten die Realitäten arg durcheinander. Engel aus Traumwelten ziehen mit Kinderzimmer-Instrumenten durchs Bild und absurde Unterweltfiguren schüren wie Gespenster, Feen, Vampire die Angst vor der Stadt, die eine Räuberhöhle sein soll. Die Kostüme von Hanna Zimmermann wie die Masken von Rosi Algra unterstreichen die Verdrehtheit der Sichten dieser Welt, die mal in diese, mal in jene Richtung schwanken, sodass den Zuschauern, die in diesem Stück der Geschichte immer ein wenig voraus sind, auch schon mal angenehm schwindelig wird.
Die vielen Regieeinfälle, die Dramaturgie, das Tempo, die Treffsicherheit des Wortwitzes, die große Spiellust mit Musik, Gesang, Sprechchor, Jonglage und Tanz in knapp zwei Stunden Theaterabend, sind so gut zusammengesetzt wie in einem knackigen Varietéprogramm. Dabei ist der Klamauk auch noch wunderbar poetisch, wenn beispielsweise mal die Musik, die aus einem Trinkbecher kommt, plötzlich groß und „wirklich“ wird.
Schauspielerisch glänzt das ganze fünfköpfige Ensemble, besonders aber die beiden Doppel-Hauptfiguren – Markus Seuß als Antipholus und Michael Meyer als Dromio. Und auch Theresa Rose ist als kindlich-verruchte Luciana ein Traum und haut als Clownesse mit komödiantischem Können richtig auf den Putz.
Daneben ist dieser kurzweilige Theaterabend aber auch ein subtil-kluges Spiel um Schein und Wirklichkeit und stellt so existentielle Fragen wie: Was ist der Mensch? Was ist überhaupt real im Leben? Das geschieht so leicht und nebenbei, dass es eine Kunst und Wonne ist. „Ich bin auf dieser Welt ein Wassertropfen, der einen anderen Tropfen sucht im Meer, und wie er eintaucht, dort den Freund zu finden, sich selber auflöst.“, hören wir die befürchtende wie schöne Weltwahrnehmung von Antipholus von Syrakus immer wieder.
Kreiszeitung, Sonnabend, 14. Juni 2014. Von Andreas Schnell
Lieber noch eine Pointe
„Irrungen“ feiert Premiere in der Bremer Shakespeare Company
Dem Hausautor und seinen Jahrhunderte alten Stücken etwas über uns heute abzulauschen, gehört zum selbst gesetzten Auftrag der Bremer Shakespeare Company. Regelmäßig fahndet das Ensemble in den Königsdramen, Tragödien und Historien danach, noch regelmäßiger in den Komödien. Die der „Irrungen“ war am Donnerstagabend an der Reihe, ein Verwechslungsspiel nach Plautus, allerdings mit zwei Zwillingspaaren statt nur einem wie in der Vorlage. Ricarda Beilharz (Regie und Bühne), die vor etwas über einem Jahr am Leibnizplatz „Richard III“ auf die Bühne brachte, inszenierte das Frühwerk vor seidenmatt changierenden Vorhängen mit Musik, Slapstick und dunklen Untertönen im Clownsgewand (Kostüme: Hanna Zimmermann). Im Zentrum des Geschehens stehen die beiden Zwillingspaare, Herr und Diener, jeweils Antipholus und Dromio geheißen. Die Vorgeschichte wird im bewusst aus den Fugen geratenden Chor bereits zu Anfang erzählt. Bei einem Schiffsunglück getrennt, verschlägt es den einen mit seiner Mutter nach Ephesus, wo er ein angesehener Kaufmann mit repräsentabler Gemahlin wird, den anderen mit seinem Vater nach Syrakus. Als er sich auf die Suche nach seinem Bruder und seiner Mutter macht, entfalten sich die mittlerweile klassischen Elemente einer Verwechslungskomödie mit programmiertem Happy End. Das fünfköpfige Ensemble mit Marcus Seuß als Antipholus hoch zwei, Michael Meyer als Diener Dromio, Svea Meiken Auerbach als des einen Antipholus’ Gemahlin sowie als Polizistin, Theresa Rose und Rune Jürgensen in den diversen übrigen Rollen übt sich dabei diesmal weniger als sonst im fliegenden Kostümwechsel, darf dafür aber nach Herzenslust komödieren, Slapstick inklusive. Das gelingt bisweilen sehr amüsant, vor allem Seuß und Meyer als beinahe brechtisches Knecht-und-Herr-Gespann schlagen aus der Vorlage einiges an gut gesetzten Pointen heraus. Wobei die Spielebenen, die durch die hintereinanderliegenden Vorhänge immer wieder eröffnet und zugezogen werden, Raum bieten für surreale Einlagen. Die dienen nicht nur der Wahrnehmung von Ephesus als sündigem Babylon, sondern auch einer reizvollen Verunsicherung, wenn Antipholus irgendwo dahinten immer wieder seinem Hut hinterher läuft, der – ein schlichtester, aber hier eigentümlich effektiver Trick – immer wieder per Fußtritt fortfliegt, sobald sein Besitzer ihn erreicht hat. Die per Programmheft angeschobene Frage nach dem Verlust von Identität, die von den beiden Zwillingspaaren hier ja tatsächlich zunehmend infrage gestellt wird, geht darüber auf der Bühne allerdings meist unter. Lieber noch eine Pointe, lieber noch ein paar Schläge für den Diener, der eines der ersten Opfer dieser Identitätskrisen per Namensverlust wird und selbst bekennt: Sein Verlust halte sich in Grenzen, sein Name sei ohnehin nicht viel wert. Und damit eine der tieferen Wahrheiten dieses Abends beinahe nonchalant verkündet. Derlei wie auch die eingebauten Verweise auf Aufführungskonventionen der Company halten einen doch einigermaßen bei der Stange, auch wenn gelegentlich der pointengespickte Text mit Hang zur Zote (Übersetzung: Rainer Iwersen) unter die Räder kommt.
taz, Dienstag, 17. Juni 2014. Von Benno Schirrmeister
Der Zauber des Platten
In einigen Augenblicken ist Ricarda Beilharz’ Inszenierung von Shakespeares „Komödie der Irrungen“ grandios. Dann kommt sie in der shakespeare company jenem Taumel der Übertreibung“ nahe, den Charles Baudelaire im englischen Clownstheater als Weg in die absolute Komik erkannte – die Essenz des Lachens, nah am Abgrund des Wahnsinns. Etwa wenn sie die Stadt Ephesus, die auch Sodom oder Mahagonny heißen könnte, anhand eines über die Bühne torkelnden Reigens ihrer clownsbenasten Bewohner erstehen lässt – irre, von Begierden deformierte Typen. Und immer, wenn Markus Seuß seinen Hut fast hat, kickt sein Fuß ihn schwungvoll weg: ultraplatt – und doch auf der Bühne ein Wahnsinns-Moment. Leider traut Beilharz dem Zauber des Nonsens zu wenig. Statt, wie am Anfang in destruktiver Entsprechung zur Brachialkomik des Stücks – zwei Zwillingspaare, infolge einer Schiffskatastrophe getrennt aufgewachsen, laufen in Ephesus dauernd aneinander vorbei, was alle verwirrt – Wortsalat anzurichten, unterwirft sie sich der heiligen Überlieferung, deren Plattitüden allein in Michael Meyers beiläufigem Parlando angenehm zu lauschen sind: Die anderen SpielerInnen deklamieren dagegen heftig und heftig laut, was zwar, stimmt schon, auch ein einfaches Mittel ist. Aber eben nicht bezaubert.
Delmenhorster Kreisblatt, Sonnabend, 13. Juni 2014. Von Andreas Schnell.
Doppeltes Verwirrspiel
Viel Applaus gab es am Donnerstagabend bei der Premiere der „Komödie der Irrungen“ im Theater am Leibnizplatz. Dabei geht es um eine Verwechslungsspiel mit zwei Zwillingspaaren. Nachdem es zuletzt mit „Richard III“, „Romeo und Julia“ sowie den „Königsdramen“ eher ernst zuging bei der bremer shakespeare company, gab es am Donnerstagabend im Theater am Leibnizplatz wieder eine Komödie des Hausautors zu sehen. Ricarda Beilharz, die zur Einweihung des umgebauten Theaters am Leibnizplatz vor etwas mehr als einem Jahr „Richard III“ auf die Bühne brachte, inszenierte nun die „Komödie der Irrungen“, eine klassische Verwechselungskomödie aus Shakespeares Frühwerk. Das Stück erzählt von zwei Herren mit Namen Antipholus, die beide einen Diener namens Dromio haben – wobei auch die beiden Dromios Zwillinge sind. Bei einem Schiffsunglück werden die Paare getrennt. Den einen Herrn verschlägt es samt Diener nach Ephesus, den anderen nach Syrakus. Als der Mann aus Syrakus seinen Bruder in Ephesus aufspüren will, beginnt ein turbulentes Spiel um Identität und deren Verlust. Das fünfköpfige Ensemble mit Markus Seuß als doppeltem Herrn, Michael Meyer als doppeltem Diener, Svea Meiken Auerbach als Ehefrau des einen Herrn sowie als Polizistin, Theresa Rose und Rune Jürgensen in verschiedenen weiteren Rollen darf in dieser Inszenierung seine clownesken Talente voll ausspielen. Vor allem Seuß und Meyer als Herr-und-Knecht-Gespann schlagen einiges an gut gesetzten Pointen heraus. Die Bühne (Beilharz) eröffnet dabei durch mehrere hintereinander angebrachte Vorhänge immer wieder neue Spielebenen und bietet Raum für surreale Einlagen. So verleiht Beilharz der Komödie aus Shakespeares Frühwerk interessante Facetten. Das Publikum belohnte den Abend am Ende mit viel Applaus.
